Die "Essinger Fußgängerbrücke", eine Spannband-Brücke bei Kehlheim überspannt den Rhein-Main-Donau-Kanal mit einer Gesamtlänge von 190 Metern und einer Hauptspannweite von 73 Metern (fertiggestellt 1986). In die Kategorie der Spannbandbrücken fällt der so genannte Drachenschwanz, die mit 225 Metern längste Holzbrücke Europas im thüringischen Ronneburg, die 2006, ebenfalls nach den Plänen des Münchener Architekten Richard J. Dietrich, fertiggestellt wurde.
Ein Beispiel eines jüngeren, 2017 fertiggestellten Holzbrücken-Bauwerks mit anderem Konstruktionsprinzip ist die Fußgänger- und Radwegbrücke Neckartenzlingen mit S-förmigem Brückengrundriss und im Querschnitt gestuften blockverklebten Brettschichtholz-Trägern. Die 96 m lange und 3 m breite Brücke bindet rund 207 Tonnen Kohlendioxid.
Wer in Holz lediglich einen antiquierten Rohstoff oder gar Brennholz sieht, der irrt gewaltig. Denn der Werkstoff Holz birgt ungeahnte Einsatzmöglichkeiten mit Vorteilen, mit denen kein anderes Ausgangsmaterial aufwarten kann.
Hier einige Beispiele für die schier unerschöpfliche Vielfalt der Verwendung von Holz:
Ganz neue Formen von Holzkonstruktionen sind seit der Jahrtausendwende entstanden, wie etwa der Gerichtshof in Antwerpen (Architekt: Richard Rogers Partnership, fertiggestellt 2004). Dieses und die folgenden Beispiele zeigen, wie weit sich der Holzbau heute von der einstigen Blockhütte entfernt hat.
Vom deutschen Architekten Jürgen Mayer H. wurde das 2011 fertiggestellte Wahrzeichen von Sevilla, die Metropol Parasol, entworfen, die mit 150 m Länge, 70 m Breite und 26 m Höhe als derzeit größte Holzkonstruktion der Welt gilt.
Stützenfreie Spannweiten von bis zu 84 Metern wurden beim Elefantenpark Zürich realisiert.
(Technische Realisierung der 3 Projekte: Fa. Züblin)
Überhaupt scheint Holz hinsichtlich seiner statischen Eigenschaften noch viele Überraschungen bereit zu halten.
Das Institut für Computerbasiertes Entwerfen ICD und das Institut für Tragkonstruktionen und Konstruktives Entwerfen ITKE der Universität Stuttgart hat einen temporären Pavillon aus elastisch gebogenen Sperrholzstreifen entwickelt. Dem Pavillon liegt eine Konstruktion aus zehn Meter langen, aber mit einer Materialstärke von 6,5 Millimetern sehr dünnen Birkenholzstreifen zu Grunde. Diese wurden durch Biegen unter Eigenspannung gesetzt, dadurch ergab sich aus den eigentlich weichen Streifen ein steifes Tragwerk.
Der Forstpavillon der Landesgartenschau 2014 in Schwäbisch Gmünd ist die erste robotisch gebaute Schalenkonstruktion aus Holzplatten, die zugleich Tragwerk und Gebäudehülle ist. Die Verbindungskräfte, die dabei an den Plattenrändern auftreten, können durch die robotisch gefrästen Zinkverbindungen besonders gut aufgenommen werden. So entsteht eine neuartige, besonders leistungsfähige und ressourcenschonende Holzkonstruktion, deren tragende Schicht aus gerade einmal 50 mm starken Buchenholzplatten besteht.
Holz nähen - mit einer ganz neuen leichten Tragwerkkonstruktion, zusammengenäht aus dünnen Buchenholz-Furnierplatten, und aus ballonförmigen Hohlkörpern komponiert. "Bionisch"
Pate stand ein Seeigel, dessen Schalensegmente durch Fasern verbunden sind.
(Uni Stuttgart 2016)
Holz hat, abgesehen von seinen ästhetischen Qualitäten, viele Vorteile als Baustoff und Konstruktionsmaterial:
Stichwort: Feuersicherheit
Verheerende Brände in den vergangenen Jahrhunderten, etwa in London 1666, in Chikago 1871 oder Tokio 1923, als vielfach aus Holz gebaute Häuser abbrannten, haben maßgeblich zum gängigen Vorurteil geführt, dass Holzgebäude besonders brandgefährdet seien.
Es mag Laien überraschen, aber dem ist nicht so:
Bei einem offenen Brand verliert Holz zwar an Masse, bleibt aber lange statisch stabil. Fehlt die Feuereinwirkung von außen, erlöscht der Brand.
Stahl im Stahlbeton und Stahlträger werden bei Hitze-Einwirkung jedoch sehr schnell weich oder schmelzen gar - die Konstruktion bricht in sich zusammen.
Durch die Verleimung von Holzschichten zu Brettschichtholz (bei Verleimung dünner Furniere Furnierschichtholz bei kreuzweise Verleimung Brettsperrholz) entsteht außerdem ein völlig neues Material, das homogener und stabiler ist als das gewachsene Holz, wodurch die Brandsicherheit weiter erhöht werden kann.
Stichwort: Statik
Ging man lange Zeit davon aus, dass Holzkonstruktionen über die Höhe eines Zweifamilienhauses hinaus statisch kaum möglich seien, werden wir durch neuere Projekte in atemberaubendem Tempo eines Besseren belehrt.
Die Entwicklung des Einsatzes von Holz sprengt fast jährlich aufs Neue die Vorstellungskraft.
Seit 2017 werden Pläne veröffentlicht, die noch vor wenigen Jahren als reine Utopie gewertet worden wären: Wolkenkratzer aus Holz!
Fotoquelle: www.ina-invest.com
Das "Rocket"-Hochhaus in Winterthur im Stadtentwicklungsareal Lokstadt ist mit 100 Metern das derzeit weltweit höchste in Planung befindliche Wohngebäude aus Holz. Es wurde von den Architekturbüros Schmidt Hammer Lassen Architects, Kopenhagen, und Cometti Truffer Hodel Architects, Luzern entworfen.
Nur unwesentlich kleiner wird dass Holzhochhaus Woho in Berlin mit 29 Stockwerken in der Nähe des Potsdamer Platzes sein, entworfen vom Architekten Jonny Klokk Architect mnal & partner.
In vier unterschiedlichen Kubaturen, auf einer Nutzfläche von insgesamt 18.000 Quadratmetern sollen Menschen künftig arbeiten und wohnen.
Fotoquelle: www.mad.no
„The Dutch Mountains“ heißt ein doppeltürmiges, U-förmiges, 38-stöckiges und 120 Meter hohes Holz-Hybrid-Hochhaus, das in den 2020er Jahren in der Innenstadt von Einhoven entstehen soll. Das durch das Architekturbüro Studio Marco Vermeulen entworfene Projekt soll zum größten Teil aus Brettsperrholz (CLT) gebaut werden.
Das Sprichwort, wonach "Bäume nicht in den Himmel wachsen" wird durch diese postmodernen Projekte zwar nicht widerlegt - für den Baustoff Holz scheint diese Regel allerdings jetzt nicht mehr zu gelten. (Die höchsten Holzgebäude der Welt)
Japan zieht nach: Für 2041 ist die Fertigstellung des "Plyscraper" W350 mit 350 Metern Höhe projektiert, in dem 185.000
Kubikmeter Holz verbaut werden sollen und der mit 4,5 Milliarden Euro Baukosten veranschlagt ist.
(Sumitomo Forestry Pressemitteilung 8.2.2018;
>> Video). Herausgestellte Etagenbereiche würden zudem mit Blumen, Wiesen und Bäumen begrünt, um sowohl die Luftqualität
zu verbessern als auch kleine Erholungsräume zu schaffen. Das Unternehmen möchte über das Projekt W350 hinaus die Möglichkeiten und Eigenarten von nachwachsenden Rohstoffen untersuchen und
langfristig „Städte in Wälder verwandeln“. Ziel ist es, die Nachfrage für Bauholz so weit zu steigern, dass es wieder lukrativ wird, Wälder zu begründen und Rohstoffe im Kreislauf zu nutzen.
Foto: modvion.com
Nicht nur bei Gebäuden werden bisherige Grenzen überschritten: Auch bei technischen Konstruktionen zeigt der Werkstoff Holz seine universelle Einsetzbarkeit:
Bereits 2012 bis 2016 entwickelte die Firma Timbertower erste Türme aus Holz für Windkraftanlagen.
2022 starteten der finnisch-schwedische Holzkonzern Stora Enso und das schwedische Holztechnologieunternehmen Modvion eine Kooperation, um Türme von Windkraftanlagen aus Holz am Markt zu etablieren.
Die Türme sind in leichten Modulen gebaut, was größere Bauhöhen und einen einfachen Transport auf öffentlichen Straßen ohne Sondergenehmigungen oder Straßenumbauten erlaubt. Die relative Festigkeit des Materials ist höher als die von Stahl. Derzeit sind Turmhöhen von rund 150 – 200 m gefragt. Die Anforderung an die Höhe werde aber steigen, da in größeren Höhen stärkere Winde wehen und sich Energie dort effizienter erzeugen lasse.
Im Gegensatz zu einem Stahlturm üblicher Größe, der einen CO2-Ausstoß von 1250 t verursache, speichere ein ebenso großer Turm aus Holz 540 t CO2, was einer Netto-Speicherung von 300 – 400 t CO2 entspreche. Nach dem Ende der Nutzungsdauer von 25 – 30 Jahren können die Holzelemente im Holzbau wiederverwendet werden. Über den gesamten Lebenszyklus hinweg, einschließlich der Entsorgung aller Komponenten, verursacht eine Windkraftanlage mit einem Stahlturm laut Modvion 4 – 7 g CO2/kWh. Diese Emissionen seien mit einem Holzturm um etwa ein Drittel geringer. (Quelle: Stora Enso/Modvion)
Lyocell ist eine aus Cellulose bestehende, industriell hergestellte Cellulosefase. Sie wird vor allem im Bereich der Textilindustrie, aber auch für Vliesstoffe und technische Anwendungen genutzt.
Die Cellulose wird aus dem Rohstoff Holz extrahiert. Der so gewonnene Zellstoff wird zerkleinert und anschließend mit einem nicht toxischen Lösungsmittel und Wasser vermischt.Die Faser wird zum Beispiel für die Herstellung von jeansähnlichen Stoffen, Blusenstoffen, Funktionstextilien im Sportbereich, für Arbeitsbekleidung, Unterwäsche und Bettartikel sowie als Vliesstoff für Hygiene- und Kosmetikartikel verwendet. (Quelle: Wikipedia)
In eine ganz neue Dimension gingen schwäbische Tüftler mit der Erfindung von "flüssigem Holz", das völlig neue Einsatzmöglichkeiten, etwa den nachwachsenden Ersatz von Plastik, eröffnet. "ARBOFORM® besteht zu 100 % aus nachwachsenden Rohstoffen und ist biologisch abbaubar. Bestandteil dieses Werkstoffs ist Lignin, welches nach der Cellulose das am zweithäufigsten vorkommende Polymer in der Natur ist. Lignin ist ein Nebenprodukt der Zellstoffindustrie und fällt weltweit jährlich zu etwa 50 Mio. Tonnen an. Mischt man Lignin mit Naturfasern (Flachs, Hanf oder anderen Faserpflanzen) und natürlichen Additiven, so erhält man einen unter Temperatur- und Druckerhöhung verarbeitungsfähigen Faserverbundwerkstoff, der auf Kunststoffspritzgießmaschinen zu Formteilen verarbeitet werden kann." (Technaro).
GreenCarbon ("Grüner Kohlenstoff")
Eine unerschöpfliche Alternative zu den fossilen, also endlichen Rohstoffen Erdöl und Kohle könnten Pflanzenabfälle sein, die in hochwertige Kohlenstoff-Materialien umgewandelt werden. Das von der EU geförderte Projektes GreenCarbon untersucht Verfahren, um aus Biomasse solche Produkte zu erzeugen. Durch komplexe Verkohlungsprozesse, die Karbonisierung, kann man unterschiedlichste Biomassen zu Kohlenstoffmaterialien umwandeln.
Für trockene Biomassen mit nicht mehr als 10 % Wassergehalt, wie Heu, Holz oder Stroh, kann dabei das Pyrolyse-Verfahren eingesetzt werden, bei dem das Ausgangsmaterial unter Sauerstoffabschluss und hohen Temperaturen verkohlt wird, ähnlich wie in einem Holzkohlemeiler. Feuchte Biomassen dagegen, die zu 80 – 90 % aus Wasser bestehen, werden in der hydrothermalen Karbonisierung (HTC) in einen kohlenstoffhaltigen Feststoff umgewandelt. Bei Temperaturen zwischen 180 und 250 °C unter leicht erhöhtem Druck, vergleichbar einem Schnellkochtopf, entstehen dabei Kohlenstoffnanostrukturen, die technologisch sehr interessante Eigenschaften aufweisen können.
Carbon-Fasern
An den Deutschen Instituten für Textil- und Faserforschung (DITF) wird die Herstellung von Carbonfasern aus Buchenholz entwickelt. Carbonfaser-verstärkte Materialien gewinnen im Fahrzeugbau, in der Raumfahrt, im Bauwesen sowie in vielen anderen Branchen zunehmend an Bedeutung.
Holz wird in vielen anderen "High-Tech"-Bereichen eingesetzt, wo man eine Holzverwendung gar nicht vermuten würde.
NUO - Leder aus Holz
NUO ist weich wie Leder und geschmeidig wie Stoff – dabei aus echtem Holz gefertigt, vegan und nachhaltig.
NUO besteht aus hochwertigem Furnier, das ausschließlich aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt. Das dünne Echtholz (0,5 mm) wird mit einem Trägermaterial aus Baumwolltextil verbunden und anschließend gelasert. Durch die feine Gravur erhält die Holzoberfläche ihre Flexibilität.
Weitere Beispiele des Einsatzes von Holz als Rohstoff:
Einer schwäbischer Betrieb, der sich sind beispielhaft der innovativen Nutzung von Holzfaserstoffen verschrieben hat, ist die Fa. Rettenmaier & Söhne mit Stammsitz in Rosenberg bei Ellwangen.
Auch beim Holzschutz tut sich gerade viel:
Alethia-Wood, ein Start-up-Unternehmen der Universität Greifswald ist auf bestem Weg, das Unmögliche möglich zu machen. Der Allroundschutz für Holzoberflächen soll eine unsichtbare, etwa 0,005 Millimeter dicke Glasschicht sicherstellen. Gemeinsam mit dem Leibnitz-Institut für Plasmatechnologie ist es dem Team gelungen, Glas auf Holz zu sprühen. Damit werden Holzprodukte nahezu unverwüstlich.