Waldgefährdungen

©Foto: Dr. G. Strobel
©Foto: Dr. G. Strobel

 

Hier alle möglichen biotischen Gefahren für den Wald zu nennen, würde den Rahmen dieser Internet-Seite bei weitem sprengen (Hier muss auf die Fachliteratur verwiesen werden). Beispielhaft werden hier die Themen herausgegriffen, die augenblicklich besonders in der Diskussion sind.


Der Wald ist ein filigranes Ökosystem mit unvorstellbar vielen Wechselbeziehungen. Ungestört befindet sich dieses Ökosytem in einem Fließgleichgewicht, das sich in natürlichen Kreisläufen selbst reguliert.

Wird dieses Gleichgewicht gestört, gibt es "Gewinner" dieser Störung - Tiere, Pflanzen oder Pilze, die sich dann aus unterschiedlichsten Gründen stärker vermehren als ihre natürlichen Gegenspieler, die ihrer Vermehrung Einhalt gebieten. Es treten (aus menschlicher Sicht)  "Schadbilder" auf.

Bekanntes Beispiel sind großflächige Fichten-Reinbestände, wie sie im Zuge der Wiederaufforstung Mitteleuropas nach vorangegangener Übernutzung (siehe Waldgeschichte) angelegt worden sind. In einem solchen künstlichen, artenarmen Ökosystem vermehren sich "Schadorganismen" besonders leicht, wie Borkenkäfer-Massenvermehrungen nach Dürreperioden nach dem II. Weltkrieg oder nach den Orkanen Vivien/Wiebke 1990 / Lothar 1999 aufgetreten sind.

Biotische Gefährdungen gehen auch von eingeschleppten, nicht heimischen Neozoen (neue Tierarten) oder Neophyten (neue Pflanzenarten) aus, da da diese nicht an das heimische Ökosystem nicht angepasst sind und es oft deshalb keine Regulationsmechanismen gibt.


Borkenkäfer

Brutbild des Buchdruckers (aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 16, S. 352)
Brutbild des Buchdruckers (aus Meyers Konversations-Lexikon, 4. Aufl. 1888, Bd. 16, S. 352)

Die Borkenkäfer (Scolytinae), eine Unterfamilie der Rüsselkäfer mit bei uns rund 150, weltweit mehreren tausend Arten, leben meist an verholzten Pflanzen, mithin an Bäumen.

 

Die Eiablage erfolgt unter der Rinde, wo sich die aus den Eiern ausschlüpfenden Larven entweder (rindenbrütend) zwischen Holz und Rinde oder (holzbrütend) im Holz selbst entwickeln. Die Anordnung der Fraßgänge ist typisch für die jeweilige Art. Die Larven der Rindenbrüter leben von dem vom Baum produzierten Saft, Holzbrüter ernähren sich von Ambrosia-Pilzrasen, die das Muttertier anlegt (von wirtschaftlicher Bedeutung ist hier der gestreifte Nutzholzborkenkäfer an gefällten Bäumen Trypodendron lineatum) . Im Ökosystem Wald spielen Borkenkäfer als Destruenten von bereits verrottendem Holz eine wichtige Rolle; einzelne Borkenkäferarten bringen geschwächte Bäume zum Absterben und schaffen so Platz für Neubesiedelung des Wuchsraums durch konkurrenzfähigere, eher standortsangepasste Baumarten.

Borkenkäfer sind besonders dadurch bekannt geworden, dass sie bei günstigen Bedingungen (großes Brutangebot, z.B. in Reinbeständen) und sehr warmer Witterung (Wasserstreß bei Bäumen, insbesondere bei nicht an den Standort angepasste Arten), vor allem bei Vorschädigungen der Bäume (z.B. durch Sturm, oder  Schneebruch), zu Massenvermehrungen neigen.

Besonders bekannt in Südwestdeutschland sind der Buchdrucker (Ips typographus) und der Kupferstecher (Pityogenes chalcographus), ersterer in älteren Fichten, letzterer eher in jüngerem oder gipfelnahen Orten mit dünner Rinde. Bei geringer Käferdichte und gutem Gesundheitszustand sind die Bäume in der Lage, sich gegen einen Käferbefall zu wehren (bei Fichte durch vermehrte Harzproduktion). Da durch große Befallsdichte die Nahrungszufuhr der Bäume durch den Larvenfraß abgeschnitten wird, führen Massenvermehrungen meist zum Absterben der Bäume. Massenvermehrungen traten in Baden-Württemberg in Fichten-domininierten Waldbeständen nach Streßeinflüssen für die Bäume - etwa nach mehreren Dürrejahren nach dem II. Weltkrieg und nach den Orkanereignissen 1990 und 1999 - in Erscheinung.

 Wurden Borkenkäfer noch im 20. Jahrhundert mit chemischen Pestiziden bekämpft, setzt man in der naturnahen Waldwirtschaft auf eine "saubere Wirtschaft": 

Permanente Überwachung (Monitoring) und bei Befall rascher Holzeinschlag und -abfuhr, um die Brutquellen zu beseitigen. Die Lehre aus den Borkenkäfer-Kalamitäten ist es vor allem, künftig standortsangepasste, vielfältig gemischte Wälder zu begründen und Nadelholz-Reinbestände zu vermeiden.


Kastanien-Miniermotte

©Foto: Dr. G. Strobel
©Foto: Dr. G. Strobel

Flecken oder braune, eingerollte Blätter an der Roßkastanie (Aesculus hippocastanum) bereits im Sommer – so haben Sie bestimmt schon die Kastanienbäume in Ihrer Stadt gesehen.

Ursache ist die Kastanienminiermotte (Cameraria ohridella), ein Kleinschmetterling aus der Familie der Miniermotten, die ursprünglich aus dem Verbreitungsgebiet natürlicher Roßkastanienbestände in Albanien, Mazedonien, Nord- und Mittelgriechenland und Ostbulgarien ist.

Die Rosskastanienminiermotte wurde erstmals 1984 in Mazedonien in der Nähe des Ohridsees entdeckt. 1989 wurde sie in Österreich erstmals nachgewiesen (eine erste Massenvermehrung fand hier bereits 1990/91 statt). Seitdem hat sich die Miniermotte sehr rasch in ganz Europa ausgebreitet.  Ihre extrem schnelle Vermehrung ist dadurch zu erklären, dass die Art in Mitteleuropa nur wenige natürliche Feinde hat bzw. dass sich mögliche Fressfeinde diese neue Nische noch nicht erschlossen haben.

Diese Miniermotte hat sich vor allem auf die weißblühende Rosskastanie als ihre "Kinderstube" spezialisiert. Der nur 2 - 3 Millimeter große Kleinschmetterling legt seine Eier während seines kurzen Lebens von 4 bis 11 Tagen  auf der Oberseite der Blätter ab.

Aus diesen Eiern schlüpfen nach 4 bis 21 Tagen kleine Räupchen, bohren sich in die Blätter und beginnen dort einen ca. 1 bis 2 mm langen Fraßgang anzulegen. Sie fressen eine Blattmine, sie "minieren" zwischen Blattober- und Unterseite (daher der Name). Die obere und untere Epidermis des Blattes und die Blattnerven bleiben dabei intakt. Die erste Raupe saugt eher Säfte als dass sie Zellgewebe frisst. Ab dem zweiten Larvenstadium fressen sie dann das Palisadenparenchym.  Bei starkem Befall können auch so genannte Gemeinschaftsminen entstehen, in denen sich mehrere Larven entwickeln.

Im Laufe ihres Lebens häuten sich die Larven zu etwa sechs Larvenstadien. Wenn die Raupen älter und größer werden, wird die Mine fast kreisrund ausgebaut. Am Ende des vierten bis fünften Larvenstadiums stellt die Larve das Fressen ein, und beginnt sich in einen seidenen Kokon einzuspinnen. Dort findet die Verpuppung statt. Aus der Puppe entwickelt sich in etwa zwei Wochen der Schmetterling. Pro Jahr kann es in Mitteleuropa zu drei bis vier (unter sehr günstigen Bedingungen auch fünf)  Generationen von Schmetterlingen kommen. Aus jedem Gelege schlüpfen im Durchschnitt etwa 40 Raupen (20 bis 80). Ein Mottenweibchen der ersten Generation kann theoretisch - mit ihren "Kindern" und "Kindeskindern" - mehrere tausend Nachkommen pro Jahr haben.

 

©Foto: Dr. G. Strobel
©Foto: Dr. G. Strobel

Erste Spuren zeigen sich rund einen Monat nach dem Austreiben der ersten Kastanien- blätter. Wenn die Larven anfangen zu minieren, dann erkennt man die Gänge als weiße "Striche" in den Blättern. Die Larven fressen in den Kastanienblättern die Chloroplasten (die Blattgrünspeicher). Später kommt es zur Braunfärbung der Gänge, die sich auf das ganze Blatt ausdehnen kann. Bei stark befallenen Bäumen kann es bereits im Juli zum Blattabfall kommen. Damit ist die zum Leben notwendige Photosynthese für den Baum frühzeitig beendet.

©Foto: Dr. G. Strobel
©Foto: Dr. G. Strobel

Gegenmaßnahmen

Die Rosskastanienminiermotte hat in Mitteleuropa kaum natürlichen Feinde. Sie ist Wirtstier einiger Erzwespen, welche ihre Eier in die Larven legen. Zunehmend wird sie von Vögeln wie Blau- und Kohlmeisen als Nahrungsquelle entdeckt.

Das bislang wirksamste Mittel gegen die Vermehrung der Miniermotte ist das zügige Beseitigen des Herbstlaubes. Denn die letzte Generation der Kastanienminiermotte überwintert in den Kastanienblättern. Im Frühling steigen hieraus die ersten Schmetterlinge wieder auf und der Kreislauf beginnt von Neuem.  Interessant ist, dass ein Befall immer zuerst an den unteren Blättern festgestellt wird. Erst im Laufe des Jahres legt die Miniermotte ihre Eier auf die höher gelegenen Blätter im Baum ab.

©Foto: Dr. G. Strobel
©Foto: Dr. G. Strobel

Doch es werden auch Ausnahmen dieses Regel­kreis­laufs beob­achtet, bei denen nicht nur die letzte Gene­ration der Puppen überwintert, sondern dies ist auch schon bei der früheren (Sommer-) Generation möglich ist. Aus den vorzeitig abgefallenen Blättern sind die Raupen offenbar in der Lage, binnen Stunden in den Ober­boden zu kriechen, sich dort zu verpuppen und zu über­wintern. Da auch von mehr­jährigem „Überliegen“ der Puppen berichtet wird, die dann noch aus­schlüpfen und sich ver­mehren können, sind mit einer reinen Herbst-Laub­samm­lung nicht alle Puppen zu besei­tigen. Ideal ist daher ein lau­fendes Ab­sammeln des ab­ge­fallenen Kas­tanien­laubes vom Spätsommer zum Spätherbst. Je häufiger und konse­quenter die Laub­sammlung erfolgt, umso wahr­schein­licher ist über die Jahre ein Nach­lassen des Befalls und damit die Verbes­serung des Gesund­heits­zu­stands der Roß­kastanie.

Am Besten ist eine professionellen Kompostierung des Laubs (bei mind. 60°C in einer Kompostierungsanlage; also nicht zu Hause!) . Weniger geeignete Optionen sind das Verbrennen des Laubs oder die Überdeckung mit mindestens 30 cm Erde. Da dem Baum durch Abharken der abge­fallenen Blätter der Frost­schutz am Boden genom­men wird, ist es empfehlenswert, in privaten Gärten den letzten Rasen­schnitt unter dem Baum zu ver­teilen.

Auf diesem Weg kann man zumindest eine evtl. auch zwei Generationen an "seinem" Kastanienbaum stark eindämmen. Denn die Kastanienminiermotte muss erst wieder von nicht gepflegten Bäumen einfliegen. Flächenwirksam kann diese Maßnahmen daher nur werden, wenn das Laub möglichst viele Kastanienbäume gesammelt wird.

Quellen und weiterführende Literatur:

 

Eichen-Prozessionsspinner

Jährlich im Frühjahr sorgt ein Waldschmetterling, vielmehr eines seiner Entwicklungsstadien, die Raupe, für Schlagzeilen in der Presse:

der Eichen-Prozessionsspinner (Thaumetopoea processionea). Aus den Eiern der im Herbst durch das Weibchen abgelegten Eiern schlüpfen im Mai die Raupen, die auf Nahrungssuche hintereinander, ähnlich einer Prozession (daher der Name) am Baum und in der Krone unterwegs sind.

Dies wäre nicht mehr als ein Naturschauspiel, wenn die Raupenhaare nicht dem Menschen gefährlich werden könnten. Die Härchen sind innen hohl, können durch Berührung leicht abbrechen und verursachen auf der menschlichen Haut oder auf den Schleimhäuten  durch ein Nesselgift Hautausschläge mit Brennen und Jucken verursachen. Auch können die Schleimhäute gereizt werden, was zu Brennen in den Augen, zu Husten, Asthma, im schlimmsten Fall bei Allergikern zu einem Schock führen kann.

Die Härchen können leicht bis zu einigen Hundert Metern durch den Wind getragen werden und können sogar noch nach Monaten wirksam sein.

Bekämpft werden die Raupennester durch Spezialisten (Gemeinde, Forstverwaltung) in Schutzausrüstung durch Absaugen oder Abflämmen der Nester. Es wird empfohlen, die vom Eichen-Prozessionsspinner befallenen Eichen im Frühjahr zu meiden und nicht mit den Nestern in Berührung zu kommen.

 

 

Weiterführende Literatur:

 

Eschentriebsterben

Das Absterben der Triebe der Gemeinen Esche (Fraxinus Excelsior) ist ein sehr junges Phänomen in Südwestdeutschland, das bis 2009 nicht bekannt war. Seither breitet sich diese Krankheit sehr rasch auf großer Fläche aus.

Dieser infiziert im Sommer grüne Blätter, dringt über die Blattstiele in gesunde Zweige ein und besiedelt das Holzgewebe. Dort verursacht er diffuse Holzverfärbungen sowie Rindennekrosen. Befallene Triebe weisen gelblichockerfarben bis rostrot marmorierte Rindenverfärbungen auf.

Durch das Absterben der infizierten Blätter und Triebe kommt es zur Verlichtung der Krone. Mehrjähriger Befall kann zum Absterben der Bäume führen.

Symptome des Eschentriebsterbens: a: Zurücksterben der Triebe in das zweijährige Holz; b: Welke; c: Läsionen, ausgehend von abgestorbenen Ästchen; d: fortschreitende Holzverfärbung. (Fotos: FVA/Metzler)
Symptome des Eschentriebsterbens: a: Zurücksterben der Triebe in das zweijährige Holz; b: Welke; c: Läsionen, ausgehend von abgestorbenen Ästchen; d: fortschreitende Holzverfärbung. (Fotos: FVA/Metzler)

Eine zunehmende Gefahr für die Verkehrssicherheit, insbesondere in Siedlungsnähe, in Parks und an Waldwegen geht von der hohen Instabilität durch Vermorschung nach Stammfußnekrosen aus, die im Zuge des Pilzbefalls auftreten.

Mit der Esche ist eine wichtige Edellaubbaumart Baden-Württembergs gefährdet. Die Esche kommt in den Kalkbuchenwäldern der Schwäbischen Alb vor; einen zweiten Verbreitungsschwerpunkt hat sie auf feuchten Auewaldstandorten, auf denen sie mit der Erle und auf frischen Standorten mit dem Bergahorn vergesellschaftet ist. Ihr Holz ist ein wertvolles, sehr elastisches Holz, begehrt für den hochwertigen Möbelbau, aber auch als ideale Werkzeugstiele, etwa für Schaufeln oder Äxte.

 


Asiatischer Laubholzbockkäfer

Der eingeschleppte Asiatische Laubholzbockkäfer  befällt einheimische Laubholzarten – auch gesunde Bäume – und kann sie binnen weniger Jahre zum Absterben bringen. 2001 konnte dieser als besonders gefährlich eingestufte Quarantäneschädling erstmals in Europa im Freiland nachgewiesen werden. Seither werden immer wieder neue Befallsorte entdeckt, 2016 erstmals auch in der Region Stuttgart.

Mutmaßlich wird er durch Transportpaletten von Steinen und Steinprodukten auch China eingeschleppt.

Quellen / weiterführende Literatur: