In die Welt des Brettschichtholz-Konstruktionsbau führt die zweite gemeinsame Betriebsbesichtigung der SDW-Kreisverbände Rems-Murr und Schwäbisch Hall. Mit beeindruckender Präzision, Perfektion und Ideenreichtum werden in Sulzdorf Holzbau-Unikate produziert.
Die Teilnehmenden der SDW-Exkursion nach Sulzdorf waren zu spät! Zwar kamen alle pünktlich zum vereinbarten Termin, aber die Fußgängerbrücke zur Remstal-Gartenschau 2019 in Urbach war schon weg! Am Vortag mit Schwertransportern ausgeliefert worden. Mit dem festen Vorsatz, die drei so genannten "Stuttgarter Brücken" bei der Gartenschau vor Ort zu besichtigen ging es nun in den Produktionsprozess, um einmal "hinter die Kulissen" zu schauen wie diese bis zu 45 Meter langen Konstruktionen eigentlich hergestellt werden.
Juniorchef Jörg Schaffitzel begann seine Führung beim Ausgangsprodukt. Hatten seine Vorfahren das Holz noch selbst im Sägewerk eingeschnitten, wird die Rohware heute bei Sägewerken in standardisierten Paketen eingekauft. Zuerst muss diese dann 3 bis 5 Tage in eine der Trocknungskammern, um den Wassergehalt auf gerade mal 12 Prozent herunter zu trocknen. Verwendet wird dazu nahezu ausschließlich Fichtenholz, im kleineren Umfang auch Lärche oder Douglasie. Spezialaufträge, die keinen konstruktiven Holzschutz vor Feuchtigkeit zulassen werden auch schon mal in Accoya ausgeführt: Kiefernholz, dem das Wasser komplett entzogen wurde und das durch Acetylat ersetzt wurde. "Dieses Holz ist dann praktisch komplett witterungsresistent." weiß der Betriebsleiter.
In der großen Produktionshalle angekommen, stellt er Schritt für Schritt den Fertigungsvorgang vor, wie aus einem Brett Brettschichtholz und aus Brettschichtholz riesige Hallen, Türme und Brückenkonstruktionen werden.
Auf der ersten Station werden die Bretter, "Lamellen" genannt, einzeln geprüft auf Rohdichte des Holzes, die Restfeuchte, die Biegestabilität, das Schwingungsverhalten. Ein Facharbeiter sichtet die Dielen nochmals und markiert nötigenfalls Holzfehler, die der nachfolgende "Kollege Roboter" automatisch erkennt und anhand all dieser erhobenen Daten die Bretter sortiert. "Zu feuchte Hölzer werden durchaus dann nochmals in die Trockenkammer geschickt." erklärt Jörg Schaffitzel.
Die Lamellen mit der gewünschten Qualität werden nun in der ebenfalls automatischen Keilverzinkungsanlage verzinkt (Erzeugen kammartiger Schnittkanten, um die Kontaktfläche zu vergrößern) und hintereinander miteinander verleimt. So entstehen theoretisch endlose Bretter. Praktisch liegt die Maximallänge bei 45 Metern.
Bevor die Lamellen zum eigentlichen "Brettschichtholz" werden, werden sie gehobelt, um die die überschüssigen Leimreste an der Verzinkung zu entfernen und die Oberfläche zu glätten . Dann werden sie auf ganzer Fläche beleimt, anschließend über ein Fließband nebeneinandergeschichte und schließlich zusammengepresst.
Das Verpressen kann dann in gerader Form oder in gebogener Form erfolgen. "Die geraden Teile sind eher die Standardware, die wir dann an Zimmereibetriebe verkaufen", so Schaffitzel, "die gebogenen Teile, bis zu einem Radius von 5 Metern, sind für uns allerdings das "Salz in der Suppe", denn hier konstruieren wir baulich exakt angepasste Unikate wie Brücken oder Aussichtstürme." Ein Blick zur Hallendecke liefert ein praktisches Anschauungs-beispiel.
Bei Brücken oder Stützpfeilern und ähnlichen Schwerlast tragenden Konstruktionen werden dem Zweck entsprechend viele Brettschichtstapel in der dritten Dimension verleimt.
Die Besichtigungsteilnehmer sind froh, aus der wegen der schrill kreischenden Hobelmaschinen in die leisere Abbundhalle zu kommen. Ein Fest für jeden Holzwurm, denn hier wird aus den teilweise riesigen Brettschichtholz-bögen die exakt an die Anforderungen angepassten Teilen konstruiert: Maßarbeit.
Aber auch in der Abbundhalle hält der Fortschritt unaufhaltsam Einzug: "Der kürzlich für rund eine halbe Million Euro angeschaffte "Hundegger Robot Drive" kann eine ganze Reihe von Abbundvorgängen nach Programm erledigen. Besonders ist, dass er auch den Werkzeugwechsel - etwa zwischen Sägen, Bohren oder Fräsen - programmautomatisch vornimmt."
Das Besichtigungsprogramm rundet eine Betriebspräsentation durch Sabrina Oberländer-Schaffitzel ab, die, wie ihre beiden Brüder auch, im elterlichen Betrieb geblieben ist und diesen gemeinsam nun bereits in die vierte Generation führen: "Unser Urgroßvater hat den Betrieb 1910 als Sägewerk gegründet. Später wurde daraus eine Zimmerei und seit 1958 haben wir uns dem Ingenieurholzbau verschrieben und heute sind wir ein PEFC-zertifizierter mittelständischer Familienbetrieb mit 65 Mitarbeitern und 3 Auszubildenden."
Besonders sei, dass der Betrieb intensiv mit den Kunden zusammenarbeite, um das optimale Produkt zu entwerfen und umzusetzen. "Besonders ist bei uns auch, dass die Facharbeiter im Abbund dieselben sind, die die Konstruktion vor Ort montieren. So ist der, der eine Brücke in Sulzdorf konstruiert hat, auch dafür verantwortlich, dass sie am Platz dann auch nahtlos passe und ihre Funktion erfülle."
In einer Präsentation stellt Sabrina Oberländer-Schaffitzel die umfangreiche Produktpalette von Schaffitzel Holzindustrie vor: "Wir kennen die Bedürfnisse unserer Kunden sehr genau. Darum haben wir entschieden, einige "Standard-Produkte" von der Stange zu entwerfen, beispielsweise die Handwerkerhalle mit angeschlossenem Bürotrakt oder die Logistikhalle mit großen stützenfreien Flächen. Aber natürlich ist dies nur ein "Rohling", den der Kunde ganz seinen Wünschen anpassen kann." Das Herz des Unternehmens schlage aber beim Kreativbau. So baue Schaffitzel Holzindustrie preisgekrönte Fußgänger- und Fahrradbrücken, etwa die sage und schreibe 225 Meter lange Fußgängerbrücke in Gera, wegen ihre Form der "Drachenschwanz" genannt. Aber auch Schwerlast-Grünbrücken für den regionalen Wildwechsel über Bundesstraßen gehören mittlerweile zum Repertoire.
Und ganz aktuell wurde drei Mal die "Stuttgarter Brücke" bei Schaffitzel gebaut, die bei der Remstal-Gartenschau in Urbach und Weinstadt zum Einsatz kam und durch ihre Robustheit, Langlebigkeit und Wartungsarmut zielende Konzeption einige Bekanntheit erreicht hat. Die Entwickler, das Architekturbüro Cheret Bozic und das Ingenieurbüro Knippers Helbig aus Stuttgart, wurden für ihre Idee mit dem Deutschen Holzpreis ausgezeichnet.
"Das Besondere an dieser Brücke ist die Art des Verbunds von Betonsockels mit der Holzbrückenkonstruktion. Außerdem wird über eingebaute Feuchtesensoren kontinuierlich die Holzfeuchtigeit im Inneren des Holzkörpers ermittelt. Ein kritischen Anstieg der Feuchtigkeit wird per App dem Wartungsteam gemeldet, das frühzeitig notwendige Maßnahmen einleiten kann."
Und just an diesem Punkt schließt sich der Kreis:
Die Urbacher Fußgängerbrücke ist zwar im Werk Schaffitzel Holzindustrie nicht mehr zu besichtigen.
Da zufälligerweise am darauffolgenden Sonntag in Urbach eine gemeinsame Pflanzaktion des Baums des Jahres stattfand, kann der Autor brandaktuelle Fotos dies Schaffitzel-Holzbauwerks nachliefern.