Baum des Jahres 2019:  Die Flatterulme

Zum 31. Baum des Jahres wurde für das Jahr 2019 die Flatterulme (Ulmus laevis) gekürt. Die selten gewordene Flatterulme kommt  vor allem in Auwäldern und auf Grundwasserböden vor. Dank ihrer Brettwurzeln - bei einheimischen Baumarten eine Seltenheit -  kann sie sich auf die dort herrschenden Bodenverhältnisse einstellen und kann so lange Überflutungen ertragen.

 


Verbreitung

Flatterulme (Foto: A. Roloff)
Flatterulme (Foto: A. Roloff)

Die Flatter-Ulme, die die letzte Eiszeit vermutlich im Balkan überdauert hat, ist schon vor 10.000 Jahren nach Mittel- und Osteuropa zurückgekehrt. Ihr heutiges Hauptverbreitungsgebiet ist das kontinentalere Osteuropa.
Bei uns in Deutschland ist sie lediglich in den östlichen Bundesländern gut verbreitet. Im übrigen Deutschland ist sie deutlich seltener anzutreffen, etwa  in den größeren Flußtälern wie der Rhein-Main-Ebene, im Oberrheingraben und entlang der Donau.

Allerdings kann die Flatter-Ulme auch auf trockeneren Standorten ganz gut zurechtkommen.  In Osteuropa, ihrem Hauptverbreitungsgebiet, ist die Flatter-Ulme auch heute noch ein häufiger Alleenbaum. Aber auch in Nordostdeutschland kann man noch durch so einige Flatter-Ulmenalleen fahren. Die Flatter-Ulme hält auch das trockenwarme Stadtklima gut aus. Und sie ist recht tolerant gegenüber Luftverschmutzung, Streusalz und Bodenverdichtung.

Flatterulme erkennen

Der Austrieb ist etwa ab Mitte April; Sie haben eine ausgezogene Blattspitze und sind am Blattgrund stark asymetrisch; die größeren Zähne des doppelgesägten Blattrandes sind stark zur Blattspitze hin gekrümmt; die Blattnerven laufen parallel und sind normalerweise nicht gegabelt – wenn doch, dann nur im unteren Drittel des Blattes.

 

Am einfachsten ist es, sie im Frühjahr – von März bis Mai – zu erkennen, wenn sie noch vor dem Blattaustrieb blüht und während des Blattaustriebs fruchtet. Denn die in Büscheln an den Zweigen hängenden Blüten und Früchte sitzen auf dünnen, bis zu vier Zentimeter langen Stielen und flattern im Wind. Dieser Eigenart verdankt die Flatterulme Ihren Namen.

Die Blüten und Früchte der anderen beiden heimischen Ulmenarten sind dagegen relativ kurz oder ungestielt und entsprechend unbeweglich.

 

Sehr spezifisch sind auch die auffälligen, unter europäischen Baumarten einmaligen Brettwurzeln. Die Flatter-Ulme bildet sie besonders ausgeprägt auf flachgündigen, vor allem aber auf nassen Böden zur Erhöhung ihrer Standfestigkeit aus. Diese ausladenden Wurzelanläufe dienen aber möglicherweise auch zur besseren Sauerstoffversorgung der Wurzeln bei Hochwasser.

Brettwurzeln der Flatterulme (Foto: A. Gomolka)
Brettwurzeln der Flatterulme (Foto: A. Gomolka)

Die Krone der Flatterulme ist unregelmässig aufgelöst. Von daher kommt der frühere lateinische Name Ulmus effusa . Am Stamm bilden sich oft Wasserreiser, die an älteren Stämmen zu eigentlichen Wasserreiser-Knollen zusammenwachsen.

Zwischen ihren "Geschwistern" Berg-Ulme und Feld-Ulme gibt es häufig Kreuzungen / Bastardierungen, die sich auch weiter fortpflanzen können und eine sichere Bestimmung erschweren. Im Unterschied dazu kreuzt sich die Flatterulme nicht mit anderen Ulmenarten.

 

Nutzung

Schon seit prähistorischen Zeiten hat der Mensch Ulmen gezielt genutzt. Aus ihrer Rinde ließ sich viel und guter Bast gewinnen, feiner noch und weicher als der der Linden, deren Nutzung als Bastlieferant am verbreitetsten war. Die Bastfasern der Flatter-Ulme sind besonders leicht aus der Rinde zu herauszulösen. Die eiweißreichen Blätter der Ulmen wurden als besonders hochwertiges Viehfutter genutzt. Zu diesem Zweck wurden die Ulmen geschneitelt, das heißt: Ihr wurden belaubte Zweige noch vor dem Herbst abgeschnitten, getrocknet und im Winter dann verfüttert.

Aus dem zäh-elastischen Holz der Ulmen wurden in der Steinzeit gerne Jagdbögen hergestellt. Ansonsten war das Holz der Flatterulme – im Gegensatz zum Holz der Feld- und Bergulme – nie besonders geschätzt: Es ist zäh, hat eine wenig attraktive Farbe und ist schlecht spaltbar. Begehrt und teuer ist einzig das Maserholz, das an der Flatterulme dort entsteht, wo sich reichlich Wasserreiser aus der Rinde bilden.

"Ulmensterben"

Über hundert Jahre ist es her, dass eine der dramatischsten und bis heute andauernden Baumkrankheiten in Nordwesteuropa ihren Anfang nahm: die Holländische Ulmenkrankheit. Sie ist ein eindrückliches Beispiel, welche Kollateralschäden beim weltweiten Holzhandel passieren können. Der Erreger: ein mikroskopisch kleiner Pilz, eingeschleppt mit Hölzern von Ulmen aus dem ostasiatischen Raum. Der Pilz löst im Holz der Ulmen Verstopfungen der Wasserleitungsbahnen aus und lässt so zunächst einzelne Kronenäste, letztlich aber meist die gesamte Baumkrone vertrocknen. 1925 hatte die Epidemie Deutschland erreicht und sich bis Mitte der Dreißigerjahre quer durch ganz Europa von England bis zum Ural ausgebreitet. Anfang der Dreißigerjahre überquerte dieser Pilz – diesmal mit einer Schiffsladung von europäischem Ulmenholz – den Atlantik und wütet seitdem unter den Ulmen in Nordamerika. Mitte der Sechzigerjahre, als man in Europa längst davon ausging, dass die Epidemie weitgehend abgeklungen sei, kehrte dieser Pilz – diesmal in einer deutlich aggressiveren Version – mit einer Ladung Funierstämmen kanadischer Ulmen über England zurück nach Europa. Und auch aus Russland kommend tauchte hier eine weitere, stärker infektiöse Pilzvariante auf. Heute hat diese Ulmenkrankheit kaum noch ausgewachsene Feld-Ulmen übrig gelassen. Auch die Berg-Ulmen erreichen immer seltener ein höheres Alter.

 

Doch bei der Flatter-Ulme, der dritten in Mitteleuropa heimischen Ulmenart, ist das offensichtlich anders. Dieser hochgewachsene Baum der Feuchtwälder und Flussauen erscheint weitgehend immun gegen diese Krankheit. Selbst jahrhundertealte Exemplare zeigen sich überraschend vital. Es gibt zahlreiche höchst eindrucksvolle Beispiele, wo Flatter-Ulmen in unmittelbarer Nachbarschaft von infizierten und absterbenden Feld-Ulmenbeständen stehen, aber selbst keinerlei Symptome der Ulmenkrankheit erkennen lassen. Diese scheinbare Immunität ist allerdings in erster Linie eine indirekte Resistenz. Sie rührt vor allem daher, dass die Flatter-Ulme von den Hauptüberträgern dieser Pilzkrankheit, dem Großen und dem Kleinen Ulmensplintkäfer, in Ruhe gelassen wird. Diese Käfer fliegen sie nicht an. Sie erkennen sie schlicht nicht als Ulme, da sich ihre Rinde in Struktur und Inhaltsstoffen deutlich von der der anderen beiden mitteleuropäischen Ulmenarten unterscheidet.

Und so entgeht die Flatter-Ulme als Einzige der für die anderen Ulmenarten so fatalen Infektion. Wird sie doch mal infiziert, dann zeigt sich, dass sie auch gewisse eigene, wenn auch nicht vollkommene Resistenzmechanismen gegen den Pilz hat. Der Krankheitsverlauf ist weniger gravierend und endet selten tödlich.Doch auch ihre Existenz ist in Deutschland keineswegs gesichert. In sieben Bundesländern gilt sie laut Roter Liste als gefährdet. Ursache ist der starke Verlust ihrer natürlichen Lebensräume im Verlauf der letzten zwei Jahrhunderte.

(Quellen: www.Baum-des-Jahres.de, P. Schwab, Wikipedia, Baumportal.de, Informationsdienst Holz)

 

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